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08.12.2021
Erleben

"Das kann nur Fußball"

Laura Karasek schreibt in ihrer Gastkolumne über ihren Stadionbesuch beim Spiel gegen Antwerpen und über die Achterbahnfahrt der Gefühle, die sie dabei erlebte.

Ich bin nicht oft im Stadion. Aber jedes Mal, wenn ich da bin, denke ich: Warum mache ich das nicht viel häufiger? Und ich denke: Wow, das kann nur Fußball. Und vielleicht Musik. So viele Menschen etwas fühlen lassen, mitsingen, mitspüren, mitleiden, mitjubeln. Von solchen Massen und Emotionen kann ich als Autorin nur träumen! Bei meinen Lesungen jedenfalls sind – schockierenderweise, man glaubt es kaum – deutlich weniger Menschen anwesend. Und weniger euphorisch. Nun gut. Hat ja niemand gesagt, dass ich Bücher schreiben muss. Aber wenn ich Fussball spielen würde, würde auch keiner kommen und zusehen. Anders bei der Eintracht. Beim Spiel gegen Antwerpen jedenfalls waren es 25.000 Menschen. Das macht was mit einem. Auch mit mir. Diese Wucht an Begeisterung, der Gesang, die Angespanntheit gepaart mit Euphorie. Es ist ansteckend! Aber: in a good way. Und das heißt ja heute – in Zeiten von Ansteckgefahr – etwas.

"Es ist ansteckend!" Laura Karasek über das Gefühl, das ein Stadionbesuch bei der Eintracht bei ihr auslöst.

Jedes Gefühl ist heute hier vertreten und jeder äußert diese anders – manche lauter und manche leiser, ähnlich wie im richtigem Leben. Und doch fiebern wir alle hier für das Gleiche, für die Mannschaft, für unser gemeinsames Ziel. Und wenn das Spiel vorbei ist, kehren wir wieder zurück in unser Leben. Aber wir gehen nicht leer nach Hause, etwas davon bleibt. Etwas, für das man brennt: Das Gefühl von Zugehörigkeit und Gemeinschaft, von Dankbarkeit und Mitgefühl – ein Gefühl, das man sich auch im Leben außerhalb des Sports für uns alle noch viel öfter zu finden wünscht.

Mein bislang letztes Eintracht-Spiel war am 4. März 2020 gegen Werder Bremen. Das war direkt vorm ersten Lockdown und ich hatte keine Ahnung, was kommen würde, als ich damals beschloss, von nun an öfter ins Stadion zu gehen. Daraus wurde dann erstmal nichts. Schade. Gerade hatte ich Blut geleckt, schon musste ich wieder verzichten. Aber damit sollte jetzt Schluss sein: Ich war wieder da. Anderthalb Jahre später zurück im Stadion. Es fühlte sich gut an.

Fulminantes Finale einer besonderen Europapokalnacht für Laura Karasek: Der Ausgleichstreffer von Goncalo Paciencia in der Nachspielzeit.

Ich erinnere mich an mein allererstes Mal in einem Fußballstadion. Ich komme aus Hamburg und mein erster Stadionbesuch war auf St. Pauli. Ich war 13 und schwärmte für einen Jungen, der Skateboard fuhr und Pauli liebte. Ich liebte ihn, also den Jungen, nicht so sehr den Fußball damals, oder zumindest glaubte ich, dass das, was ich da fühlte für diesen Jungen, Liebe sei. So muss sich das anfühlen, dachte ich.

Und wie fühlt es sich heute an? In der Liebe bin ich nicht unbedingt weiser, beim Fußball hoffentlich schon. Ich bewundere die Spieler, ihre Gelassenheit, ihr Können, ihre Furchtlosigkeit und Ausdauer. Das muss man erstmal alles aushalten. Wer kann sowas schon? Wer kann so gut spielen, dass er es so weit schafft? Ich bin beeindruckt, irgendwie fasziniert von so einer Leistung, von einer Karriere, die so weit weg ist von meiner eigenen. Und dennoch: sich da immer wieder hinzustellen und zu kämpfen – tun wir das nicht irgendwie alle auf unsere Art? Nur nicht immer vor 25.000 Zuschauern. Manchmal ganz ohne Publikum. Fußballer sein, wie fühlt sich das an? Wie hält man dem Druck stand, wie nimmt man Niederlagen in Kauf – und wie schützt man sich vorm Abheben, wenn alles richtig gut läuft?

Bei diesem Spiel jedenfalls läuft es zunächst richtig gut: 1:0 für die Eintracht – und das schon sehr früh, 13. Minute. Dann leider der Ausgleich. Ärgerlich. Später sogar 2:1 für Antwerpen. Und das in der 88. Minute! Grausam. Ich bin kurz davor, traurig zu werden, doch dann geschieht das Unverhoffte, das, was im Leben viel zu selten geschieht: es scheint verloren – und plötzlich, in der Nachspielzeit (nach der 90. Minute!) schießt die Eintracht das 2:2. Puh. Das ist toll, das ist Glück, das ist fast kitschig.

Zur Person

Laura Karasek ist Autorin, Moderatorin, Podcasterin und Anwältin. Das Multi-Talent ist zudem seit Dezember als Redaktionsleiterin der "Florian Schröder Satire Show" in der ARD tätig. Karasek wurde 1982 in Hamburg geboren, studierte Jura in Berlin und Paris und arbeitete als Rechtsanwältin in einer großen Wirtschaftskanzlei in Frankfurt. Mit ihrer Familie lebt sie zudem in der Mainmetropole. Sie hat drei Bücher veröffentlicht, zuletzt erschien ihr Roman „Drei Wünsche“ über Männer und Frauen.