Diesen Blick zwischen Verwunderung und Bewunderung werde ich nie vergessen. „You are really here from Frankfurt to watch football?”, wollte dieser sicher zwei Meter große Este wissen, dem ich wenige Stunden vor dem ersten Qualispiel in Tallinn vor dem Vereinsheim begegnet bin. Ein Mann von seiner Statur war es sicher nicht gewohnt, auf den Arm genommen zu werden. Hatte ich auch nicht vor. Immerhin war die Europapokalsaison 2019/20 eröffnet, dank dem Freundschaftsdienst der Mainzer am letzten Spieltag für uns ein bisschen früher als üblich. Eine Ochsentour ab Ende Juli, die wohl die allermeisten Vereine und ihre Anhänger als Last empfunden hätten. Doch nicht wir. Nicht die Eintracht. Also kurz dem Flora-Fan unser Wesen nähergebracht, rein in die Bar auf ein, zwei Kaltgetränke und hinterher überpünktlich in die beschauliche A. Le Coq Arena.
Dort tummelten sich auch so 1500 bis 2000 Adlerträger. Dass ein Kumpel, mein Bruder und ich später nicht selbst im Gästeblock standen, war der nächsten Zufallsbekanntschaft geschuldet. Auf dem Hinflug waren wir mit Matthias Lanz ins Gespräch gekommen, der sich als Mitglied des EFC Business-Eagles zu erkennen gab und uns kurzerhand für Donnerstagabend in deren gemieteter Loge – übrigens die einzige von Eintracht-Fans an diesem Abend – einlud. Die Ungläubigkeit war diesmal erst auf unserer Seite. Aber das Vertrauen überwog. Also schenkten wir unsere drei Tagestickets einer Familie, die Urlaub in der Stadt gemacht hatte und unbedingt mal die Eintracht sehen wollte, und trafen die Jungs von den Business Eagles wie verabredet. So nahm der Spaß seinen Lauf. Jeden, wirklich jeden von der Truppe, die zum Warmwachen auf den Rasen lief, haben wir von der Loge aus namentlich begrüßt. Nicht zuletzt Materialwart Franco Lionti, mit dem ich früher beim ESV Blau-Gold gekickt hatte. Wieder ungläubige Blicke………………….hahahaha.
Eigentlich bin ich nicht als der typische Logengänger bekannt. Aber genau dieser Tag war für mich der Inbegriff dieses Lebensgefühls Eintracht. Und noch mehr Eintracht international. Scheinbar fremde Personen, mit denen du vom einen auf den anderen Augenblick auf einer Wellenlänge bist, total freundliche und stressfreie Gastgeber und eine wunderschöne Stadt, in die ich ohne die Liebe zur Eintracht im Leben nicht für eine Übernachtung gereist wäre und erst recht kurzfristig gebucht hätte.
Überhaupt diese unveränderte Nahbarkeit innerhalb der weiter wachsenden Eintracht-Familie. Bestes Beispiel auch hier Tallinn. Das 2:1 im Sack, haben wir den Abend dann gemütlich im Hotel des gesamten Eintracht-Trosses, wo auch die Business-Adler untergebracht waren, ausklingen lassen und begegneten unter anderem Athletiktrainer Martin Spohrer. Wir waren uns in der Vergangenheit immer mal wieder über den Weg gelaufen, so richtig kennen gelernt aber erst an dem Abend, nicht zuletzt auch wegen unserer gemeinsamen Vorliebe für harte Klänge. Seitdem haben wir einen richtig guten Draht zueinander, ein ganz feiner Kerl. Immer wenn wir uns treffen, bringt er mir unaufgefordert schöne Eintracht-Utensilien mit, ich dafür ihm im Gegenzug Tankard-Shirts. Ein bisschen Werbung für unsere Band muss ja sein!!!
Es sind diese Kleinigkeiten, das macht den Reiz aus. Natürlich bin ich bei so gut wie jeder Europatour am Start, Erfahrungen wie in Mailand oder Barcelona bleiben bei mir genauso haften wie Tallinn oder Vaduz. Ich musste mir im Camp Nou bestimmt 48 Mal die Augen reiben, so surreal war dieses Bild.
Dennoch kann ich mich noch ann andere Zeiten erinnern. 2013 ging’s mit 700 Leuten nach Baku zu den Play-offs, 1992 war ich in Istanbul einer von 100. Anpfiff Mittwochmittag um zwölf – sensationell! Ebenso legendär war für mich mein allerstes internationales Auswärtsspiel in Kopenhagen 1990. Mit 0:5 hat uns Bröndby auf die Hörner genommen. Ein bitterer Abend, der mich aber in keinster Weise davon abgehalten hat, dran zu bleiben und dran zu glauben. Im Rückspiel hätten es die Jungs auf dem Rasen sogar fast noch gedreht. Wer weiß, wie es ohne das eine Gegentor gelaufen wäre...
„Jetzt erst recht!“ galt damals genauso wie über 30 Jahre später. Gegen West Ham. Im Halbfinale. Zum zweiten Mal in drei Jahren. Wer hätte das nach dem frühen Pokalaus gegen Mannheim letzten Sommer gedacht. Wenn dann die Fans mangels Alternative unsere Zeilen in „Wir holen den U-UEFA Cup“ umdichten, könnte man sogar echt mal drüber nachdenken, eine neue Version mit leicht verändertem Text aufzunehmen. Ich hoffe, dass das Finale in Sevilla dafür den feierlichen Anlass bietet. Das wäre dann mein zweites Europapokalendspiel! 21. Mai 1980, 81. Minute Fred Schaub zum 1:0 und wir hatten den UEFA-Cup, Wahnsinn!!!! Bitte am 18. Mai noch einmal……………………………….gibt es eigentlich eine Steigerung von Wahnsinn?