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19.10.2021
Fans

Du bist nicht allein…

Anja Heyde schreibt in ihrer Gastkolumne über ihre Auswärtsfahrt nach Rom – und weshalb diese auch ohne Tickets für das Spiel unvergesslich war.

Ja, es gab ihn, diesen kleinen Moment der Ambivalenz, die kurze neuronale Verzögerung bei der Frage: Was zur Hölle, Anja, tust du hier eigentlich? Wieso fliegst du für ein Fußballspiel nach Rom? Für ein Fußballspiel! Und du hast noch nicht mal Tickets... Und dann kommt der beruhigende Moment, in dem du feststellst, du bist nicht allein mit deiner Eintracht-Macke.

Denn man begegnet ihnen überall. Im Flieger nach Rom natürlich auch. Da! Da sitzen wieder zwei, bei denen lugt der Eintracht-Schal unter der Jacke hervor. Kurz zuzwinkern, eigenen Platz finden. Hinsetzen. Die Äppler-Dose aus dem Rucksack fummeln, zuprosten. Heimlich freuen, dass man in Rom beim Stadtspaziergang wohl wieder nicht allein sein wird.

Anja Heyde bei einem Heimspiel ihrer Eintracht.

Dass ich mich, als gebürtige – in Berlin wohnende – Sächsin, in die Eintracht verknallt habe, ist ein Phänomen, das sich erklären lässt. Begonnen hat diese Beziehung schon vor dieser unglaublichen Europa-League-Saison 2018/19 – mit einer anderen Beziehung. Er ist heute mein Mann. Und hat als gebürtiger Hesse aus dem Raum Frankfurt diesen genetischen Defekt, mit dem man an der SGE irgendwie nicht vorbeikommt. Und plötzlich findet man sich in einem Auto nach Wolfsburg wieder oder zum Heimspiel nach Frankfurt. Oder im zugigen Berliner Olympiastadion oder in Leipzig.

Ich habe nicht damit gerechnet, dass es mich so erwischt. Sage ich ganz ehrlich. Aber ich habe mit der Eintracht das erlebt, was ich vorher im Fußball nicht mehr so oft wahrgenommen habe: Authentizität und vor allem Freude. Pure Freude.

Das Ergebnis eines Spiels war nicht das Entscheidende, sondern das Spiel selbst. Und so war jede Reise zu einem Eintracht-Spiel ein Fest. Ein Fußballfest. Und das kulminierte 2018/19 bei der Europa League. Und alle konnten es sehen! Wie Fußball auch sein kann: So ehrlich, unprätentiös und nah. Überall wo die Eintracht spielte, war der zwölfte Mann schon da – mal mit 1000 Fans und mal mit 15.000. Wie in Rom.

Auf der Piazza del Popolo treffen wir uns. Die aus dem Flieger, die mit dem Äppler, die mit und die ohne Tickets. Und ziehen los, zu Fuß zum Stadio Olimpico. Trotzig, weil genau dieser Spaziergang zum Stadion aus Sicht der römischen Polizei aus Sicherheitsgründen nicht stattfinden soll. Die organisierten Busse stehen sich die Reifen platt. Der Zug zum Stadion und der dazugehörige Gesang werden immer länger, lauter und lustiger. Der römische Verkehr kommt zum Erliegen. Die Ewige Stadt singt rot-schwarz-weiß. Die Stimmung ist ausgelassen.

Am Stadion sind Stunden vor dem Spiel außer den Fans nur noch ein paar Ordner und vor allem offene Tore, also Stadiontore. Ein kurzer Blick, ein entschlossener Schritt und schwupp stehen wir zu zweit im Stadion.

Wir können unser Glück kaum fassen: Wir stehen mitten in dem Stadion, in dem Deutschland am 8. Juli 1990 Weltmeister wurde! Da! Da am Mittelkreis ist Franz Beckenbauer völlig allein über den Rasen spaziert, die Hände in den Taschen, die Goldmedaille um den Hals baumelnd. Wir sind völlig euphorisiert, allerdings nicht lange...

Das noch leere Stadio Olimpico zweieinhalb Stunden vor Spielbeginn.

Zwei Minuten vielleicht, dann komplimentieren uns zwei Ordner freundlich, aber sehr bestimmt wieder heraus. Aber für ein Foto und die dazugehörige Gänsehaut hat es gereicht! Immerhin. Denn ein Ticket werde ich an diesem 13. Dezember 2018 in Rom nicht mehr bekommen. Aus Sicherheitsgründen standen nur 8500 Tickets für die Gäste zur Verfügung. Lazio-Fans – man kennt die Fotos – waren fast keine da.

Aber ich war da! Ich war dabei! Wir haben den Abend vor dem Stadio Olimpico verbracht. Im Regen. Und später haben wir mit Wein und Pizza den 2:1-Sieg gegen Lazio Rom gefeiert. Den Rekord der SGE, die als erste deutsche Mannschaft alle Gruppenspiele in der Europa League gewonnen hatte. Fans waren ja genug in der Hauptstadt.

Diese verrückte Reise nach Rom – eine von vielen – ist gefühlt eine Ewigkeit her. Corona hat unsere Fußballreisetätigkeiten unterbrochen – aus guten Gründen. Aber jetzt gibt es wieder viele gute Gründe, in den Flieger oder in den Zug zu steigen. Nach dem Heimspiel gegen Olympiacos kommt es schon in zwei Wochen zum Rückspiel in Griechenland. Piräus soll sehr schön sein, auch noch im November...

Wer kommt mit?

Gude!

Anja

Zur Person

Anja Heyde ist Journalistin und Fernsehmoderatorin. Von 2008 bis 2017 moderierte sie das ZDF-Morgenmagazin, aktuell ist sie unter anderem beim MDR in der Sendung „Fakt ist“ zu sehen. Die bekennende Eintracht-Anhängerin ist auch auf Twitter aktiv: