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03.01.2022
Fanabteilung

Fanabteilung trifft Doc Othmar Hermann

Bunt ist sie, die Eintracht-Welt, voller Geschichten und Erlebnisse. Getragen werden diese Geschichten durch die Fans und Mitglieder der Eintracht. Eines davon ist Doc Othmar Hermann.

Er ist der Doc. DER Doc, ihr versteht? Das wandelnde Archiv der Eintracht, das historische Wissen und Gewissen, kurz: Die Sammlerlegende Doktor Othmar Hermann, Facharzt für Chirurgie, Allgemeinmedizin und Eintracht Frankfurt. Mitglied bei der Eintracht seit Oktober 1974. Und weil der Doc nicht mal eben so Mitglied wird, hat er natürlich auch zu seiner Mitgliedschaft eine adäquate Geschichte parat, wie er zu allem eine passende Geschichte zu erzählen hat. Natürlich mit Eintracht-Bezug. Die Unterschrift setzte er damals schon ein paar Wochen früher unter den Mitgliedsantrag, genauer gesagt im Juni 1974. Und da die Eintracht in jener Zeit mal wieder auf Mitgliederjagd war, gestand sie jedem neuen Mitglied günstige Karten für das WM-Finale als auch für das Spiel um den dritten Platz zu – eine Chance, die sich der junge Othmar nicht nehmen ließ. Und so wurde er wenige Wochen später in München Weltmeister, genau wie Grabi und Holz.

Sammelleidenschaft trifft Eintracht Frankfurt

Begonnen hat seine Eintracht-Leidenschaft allerdings schon einige Jahre zuvor. An sein erstes Spiel im Stadion kann er sich noch gut erinnern, es war der 14. August 1965. Natürlich hat er sich vor dem Spiel ein Programm besorgt und auch die Eintrittskarte fein säuberlich archiviert. Die Eintracht kickte gegen den HSV und gewann 2:0. Es war der Tag, an dem der Doc mit dem Eintracht-Virus infiziert wurde und es war der Tag, an dem Jürgen Grabowski sein erstes von 441  Bundesligaspielen für die Eintracht bestritt. Beide sind mit den Jahren Legenden geworden. Der eine (Grabi) auf dem Platz, der andere (Doc) als Sammler. Betritt man sein Haus in der Rödelheimer Fuchstanzstraße, der Ort in dem er einst das Licht der Welt erblickte, erkennt das spähende Auge sofort einen Stapel Eintracht-Hefte. Hinter der Haustür regiert einwandfrei die SGE – und dies in einem unvorstellbaren Maße.

Denn Doc sammelt alles, was mit der Eintracht zu tun hat. Und damit meinen wir wirklich alles. Ob Bembel, Bücher, Bilder, Becher oder Bälle. Ob Autogrammkarten oder Zigarettenbildchen, Doc hat alles. Suchst du den Pressespiegel der vergangenen Jahrzehnte? Doc hat ihn. Unterschriften von Ergänzungsspielern der frühen 50er Jahre? Kein Problem. Über einem Stuhl hängt ein Sondertrikot mit der Aufschrift „Black Lives Matter“, über einem anderen das gelbe Tetra-Pak-Trikot, natürlich von allen Spielern unterschrieben. Brauchst du einen Aschenbecher? Skatkarten von der Eintracht? Ehrenplaketten anlässlich der deutschen Vizemeisterschaft 1932? Frag den Doc. Der Blick fällt auf ein von Michael Apitz gezeichnetes Bild. „Bruda, schlag den Ball lang“, ruft Kevin-Prince Boateng mit seiner blauen Sonnenbrille vom Römerbalkon herunter. Eines seiner Lieblingsstücke ist ein Originaltrikot von Richard Kress. „Aber das passt mir heute nicht mehr“, gibt er unumwunden zu, zündet sich eine Zigarre an und erzählt. Aus einer Kiste spitzt eine Autogrammkarte von Stepi hervor.

Damals nannte man mich den Schwarzen Panther von Ginnheim.

Othmar Hermann

Dabei hat seine Sammelleidenschaft gar nicht mit Fußball begonnen. Schon als Knirps spazierte er regelmäßig in die Frankfurter Kinos wie das Alemannia an der Hauptwache – und nahm sich zur Erinnerung ein Filmprogramm mit. Und aus diesem einen wurden heute über 50.000. Ganz besonders hängt sein Herz an El Cid. Faszinierend damals: Charlton Heston und Sophia Loren. Da gerät der Doc heute noch ins Schwärmen. Zu den Filmprogrammen gesellten sich Filmplakate, zu den Plakaten Vinylsoundtracks und so ganz nebenbei legte er sich auch eine Micky Maus-Sammlung zu. Natürlich hängt ordentlich eingerahmt auch ein Foto von Walt Disney samt Unterschrift an der Wand. Und wenn schon Micky Maus gesammelt wird, dann kann man das Ganze auch gleich auf Comics im Allgemeinen ausweiten. „Ich bin mehr so der visuelle Typ“, lacht Doc, der stets gutgelaunt und optimistisch daherkommt. Grabi war einer seiner Lieblingsspieler, aber sein Held ist und bleibt Dr. Peter Kunter, zumal er in Freizeitmannschaften einst selbst im Tor stand. „Damals nannte man mich den Schwarzen Panther von Ginnheim“, grinst er.

Weit über 700 Spiele hat er in all den Jahren gesehen, die meisten davon im Frankfurter Waldstadion. Und seit zehn Jahren hat er auch einen ganz besonderen Job: Auf der Waldtribüne hält er regelmäßig seine historische Eintracht-Sprechstunde ab, bringt Schätze aus seiner Sammlung mit und erzählt Anekdoten dazu. Früher war er regelmäßig mit seiner Frau Eva zu den Spielen unterwegs. Die beiden haben sich 1981 kennengelernt, ein Jahr später wurde geheiratet. Seither gehen sie gemeinsam durch dick und dünn. Haben sogar einen Autounfall auf dem Heimweg nach dem 9:2 gegen Werder Bremen im November 1981 überstanden. Und als Eva 2017 schwer erkrankte, begleitete sie der Doc auf ihren Wegen und ließ dafür auch das Pokalfinale 2017 sausen. „Man muss Prioritäten setzen“, erklärt er.

Aktiv als Schriftsteller

Die Zeit verfliegt und der Platz reicht nicht im Ansatz aus, das Leben und die Sammlung des Docs zu beschreiben. Man könnte ein Buch über Othmar Hermann verfassen. Er selbst hat gemeinsam mit Frank Gotta oder Jörg Heinisch gleich mehrere über die Eintracht veröffentlicht. Besonders begehrt ist heute das Band „Im Herzen von Europa“, ein längst vergriffenes Sammlerstück. Und dass ein Gutteil der Exponate des Eintracht-Museums aus seiner Sammlung stammt, ist beileibe kein Geheimnis. „Ich erinnere mich noch gut daran, als der junge Matze Thoma einst zum ersten Mal vor meiner Haustür stand. Er hatte auf einem Flohmarkt eine alte Postkarte entdeckt, darauf eine historische Mannschaft mit Adlern auf dem Trikot, die er mir ganz stolz präsentierte. Was war der Bub enttäuscht, als ich ihm klarmachen musste, dass die Truppe auf der Karte nicht die Eintracht ist“, erinnert er sich an die erste Begegnung mit dem heutigen Leiter des Eintracht-Museums. Spricht‘s, drückt mir zwei historische Aufkleber in die Hand und lässt mich noch ganz kurz die gemeinsame Teddybären-Sammlung bewundern. Es sind über 300. In Docs Sammelsurium kann man sich verlieren. Es ist ein Wahnsinn. Großartig.