„Bei der WM 1970 in Mexiko bin ich ihm das erste Mal begegnet“, schildert Hartmut Scherzer sein erstes Treffen mit Jürgen Grabowski. Scherzer, Ikone des deutschen Sportjournalismus, arbeitete zu dieser Zeit für eine amerikanische Nachrichtenagentur und hatte wenig bis kaum beruflichen Bezug zur Bundesliga – dafür aber umso mehr zu Weltmeisterschaften. Der mittlerweile 84-Jährige schwelgt in der Erinnerung: „Nach Trainingsende bin ich zu ihm gegangen und habe gesagt: Hallo Herr Grabowski, mein Name ist Hartmut Scherzer. Daraus ist eine lebenslange Freundschaft entstanden“, berichtet er in der neuen Podcast-Folge „Eintracht vom Main“.
Eine Freundschaft, die so weit ging, dass sich Scherzer und die am 10. März 2022 verstorbene Eintracht-Legende acht Jahre später ein Zimmer bei der Weltmeisterschaft in Argentinien teilten. „1978 arbeitete ich bei der Nachtausgabe der Abendpost und ich wusste genau: Mein Chefredakteur würde mich für verrückt erklären, wenn ich sagen würde, dass ich für die Abendpost zur WM nach Argentinien fahre“, erzählt Scherzer Moderator Matthias Thoma, Leiter des Eintracht-Museums. Also kam Scherzer eine Idee. Warum nicht einfach den noch aktiven Eintracht-Akteur und Weltmeister von 1974 Grabowski fragen, ob er als Kolumnist agieren wolle? Dem deutschen Nationalkader gehörte er schließlich nicht mehr an. „Mit mir als Ghostwriter sagte mein Chef: Das können wir machen.“
Damit war mein Fuß in der Sportredaktion drin, so hat alles angefangen.
Hartmut Scherzer
Und so begleitete Grabowski den Journalisten bei den globalen Titelkämpfen 1978 und 1982. Zwei von insgesamt 16 Weltmeisterschaften, von denen Scherzer bis zu diesem Tag berichtete. Doch wie kommt jemand zu der Gelegenheit, seit 1964 nicht nur von zahlreichen Fußball-Weltmeisterschaften, sondern auch von 21 Olympischen Spielen sowie 33 Tour-de-France-Austragungen zu berichten? „Es hat mit dem Autogrammsammeln angefangen“, verrät Scherzer. „Beim Sechstagerennen lernte ich Erich Wick, den Sportchef der Frankfurter Rundschau, und Radsportexperte Helmer Boelsen kennen. Später machten sie sogar eine Reportage über mich: König der Autogrammsammler.“
Als 19-Jähriger in den Journalismus
Letzten Endes war es Wick höchstpersönlich, der dem damals 19-Jährigen den Weg in die Welt des Journalismus ermöglichte. Scherzer erklärt: „Ich arbeitete später als eine Art Copyboy, als Junge für Alles, bei der Frankfurter Rundschau. Damit war mein Fuß in der Sportredaktion drin, so hat alles angefangen. 1957 wurde ich in den Verein Frankfurter Sportpresse aufgenommen.“ Zwei Jahre darauf erlebte er Historisches. Scherzer schmunzelt: „Als die Eintracht 1959 Deutscher Meister wurde, saß ich in der Redaktion und hatte Telefondienst. Es war ganz schlimm für mich, die Telefone standen nach dem Spiel nicht still.“
Als die Eintracht 1959 Deutscher Meister wurde, saß ich in der Redaktion und hatte Telefondienst.
Hartmut Scherzer
63 Jahre später, im Frühsommer 2022, war es ebenfalls keine Option für Scherzer, einen eingehenden Anruf wegzudrücken. Auch wenn er nach dem Europapokalfinale in Sevilla etwas im Stress war. Sein Bericht war fertig, doch er konnte den Text nicht übermitteln. Kein Internet. „Währenddessen klingelte plötzlich mein Handy und ich sah: Franz B. ruft an. Beckenbauer! Den konnte ich natürlich nicht wegdrücken. Er wollte mir zum Europa-League-Sieg gratulieren“, lacht Scherzer und bekennt: „Rückblickend war dieses Spiel, bei dem ich mit 83 Jahren mein Comeback im Sportjournalismus machen durfte, das schönste.“
Wie aus dem König der Autogrammsammler eine Ikone des deutschen Sportjournalismus wurde, wie der Boxsport seinen Werdegang prägte sowie weitere Anekdoten aus seiner langen Laufbahn erzählt Hartmut Scherzer in der 59. Folge von „Eintracht vom Main“.
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