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28.11.2008

"United Colors of Frankfurt"

Ein unvergesslicher Abend mit Istvan Sztani und Du Ri ChaNachbericht zur Veranstaltung am 13.11.2008

Eintracht Frankfurt kann mittlerweile auf eine fast 110-jährige Geschichte zurückblicken, die reich ist an Erfolgen und Triumphen, aber auch an Rück- und Tiefschlägen. Und jede Zeit schrieb ihre eigenen Anekdoten und Geschichten, doch stets war Eintracht Frankfurt begleitet von der Leidenschaft ihrer Fans, Freunde Anhänger und Mitglieder. Und es war genau diese Leidenschaft vieler Herzblut-Eintrachtler, welche das wunderbare Eintracht Frankfurt Museum entstehen ließ – endlich einen Ort, wo wir unsere Geschichte angemessen präsentieren können.


„Tradition zum Anfassen“, die gemeinsame Veranstaltungsreihe von Eintracht Frankfurt Museum und Fan- und Förderabteilung, hat sich zum Ziel gesetzt, wichtige Ereignisse und Aspekte der Eintrachthistorie näher zu beleuchten und ihre damaligen Protagonisten zu präsentieren.Denn Geschichte, und damit auch die Eintrachtgeschichte, ereignet sich nicht einfach nur so, Geschichte wird vielmehr immer gemacht – von Menschen. Auch die Eintrachtgeschichte wird und wurde geschrieben von unzähligen Personen und Persönlichkeiten, von denen viele für uns zu Sympathieträgern und manche sogar zu Helden, Legenden oder Idolen wurden. Und dies ist völlig unabhängig von Herkunft, Nationalität oder Abstammung. Zur großen Eintrachtfamilie gehören auch viele, deren Wurzeln in anderen, fernen Ländern liegen und deren Lebensweg sie irgendwann dazu brachte, den Adler zunächst auf dem Trikot und dann auch im Herzen zu tragen. Und die damit im übertragenen Sinne zu echten „Frankfurter Jungs“ wurden, die wir alle einem beliebten Fangesang zufolge schließlich sind.Unter dem Titel „United Colors of Frankfurt“ wurden zum vierten Abend der Veranstaltungsreihe „Tradition zum Anfassen“ drei solcher Persönlichkeiten eingeladen. Mit Istvan Sztani, Lajos Detari und Du Ri Cha waren drei ausländische Spieler aus unterschiedlichen Epochen angekündigt, welche die Eintracht ihrer Zeit prägten und denen unser Verein viel zu verdanken hat. Leider musste der mittlerweile als Trainer arbeitende Lajos Detari ganz kurzfristig absagen, war er doch plötzlich und unvorhergesehen mit für ihn wichtigen Vertragsverhandlungen beschäftigt, nachdem er ausgerechnet am Vortag der Veranstaltung von seinem Verein entlassen worden war.Aber auch „nur“ mit Istvan Sztani und Du Ri Cha wurde es wieder ein ebenso kurzweiliger wie interessanter Abend. Der Meister von 1959 wurde mit langanhaltendem Applaus, und der in Frankfurt geborene Koreaner mit dem eigens für ihn geschaffenen „Du Du Du Du Du Ri Ri Ri Ri Ri Cha Cha Cha Cha Cha“ begrüßt. Museumsdirektor Matze Thoma und FuFA-Abteilungsleiter Stefan Minden eröffneten mit kurzen Reden die Veranstaltung, wobei insbesondere die beiden Tore von Istvan Sztani im 59er Endspiel („Wer mit zwei Toren Offenbach abschießt, ist ewig in unseren Herzen!“) Erwähnung fanden sowie der sozusagen mit tatkräftiger Fanunterstützung erzielte Treffer Du Ri Chas in Oberhausen (die Geburtsstunde des ihm gewidmeten Songs), denen dann noch viele weitere Tore von Du Ri im Aufstiegsendspurt 2005 folgen sollten.Moderator Axel Hoffmann hatte sich erneut akribisch vorbereitet und trat mit gewohnter Souveränität und der ihm eigenen liebenswerten Zurückhaltung als Stichwortgeber auf, der seinen Gästen immer wieder interessante Anekdoten und Einzelheiten entlockte.Als 1956 sowjetische Panzer in Ungarn den dortigen Volksaufstand niederkämpften, befand sich der junge Istvan Sztani gerade mit der ungarischen U-19 Nationalmannschaft auf Länderspielreise im Westen. Einer nach dem anderen seiner Mannschaftskollegen beschloss, nicht nach Hause zurückzukehren, sondern bei Vereinen „im Westen“ zu bleiben. Auch der junge Istvan träumte von einem eigenen Auto („Ein Karmann Ghia war mein Traum!“) und bot sich westlichen Vereinen an. Die Eintracht schlug zu – was sich als echter Glücksgriff erweisen sollte. Zunächst musste Sztani wegen der fehlenden Freigabe durch den ungarischen Fußballverband eine einjährige Sperre absitzen, während der er nur in Freundschaftsspielen eingesetzt werden durfte. Als der Torjäger dann endlich auch in Pflichtspielen mitwirken durfte, begann eine große Eintracht-Ära, die Istvan Sztani mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft 1959 krönte. Auch von den besonderen Trainingsmethoden unseres Meistertrainers Paul Osswald erfuhren die Besucher: so musste Istvan des öfteren mit Osswalds Schäferhund Fußball spielen – damit er lerne, den Ball besser abzuschirmen...Auch wenn Sztani in der folgenden Saison zu Standard Lüttich wechselte – Frankfurt und die Eintracht (zu der er 1965 zurückkehrte) ließen ihn nicht mehr los. Noch heute ist er bei jedem Heimspiel im Stadion und verfolgt die Eintracht genau; seine Meinung zum heutigen Fußballgeschehen trug er ebenso humorvoll wie engagiert vor. „Ungarn ist meine Heimat, aber Frankfurt ist mein Zuhause“, fasste Sztani zusammen. Die Integration sei ihm damals leicht gefallen, sowohl innerhalb der Mannschaft („Ich bin am liebsten zu Alfred Pfaff – der hatte ’ne Kneipe.“) als auch allgemein – die bundesrepublikanische Gesellschaft Ende der 50er Jahre beschrieb Sztani als „unglaublich harmonisch“. Heute hätten es ausländische Fußballspieler deutlich schwerer.Nicht schwer hatte es hingegen Du Ri Cha, als er 2003 zur Eintracht in seine Geburtsstadt zurückkehrte. Denn geboren wurde Du Ri im Frankfurter Marienkrankenhaus im Jahre 1980, kurz nachdem sein Vater Bum Kun Cha gerade mit der Eintracht den UEFA-Cup gewonnen hatte. Seine hessische Herkunft kann Du Ri, vor allem wenn er von seinem „Vadder“ Bum Kun spricht, nicht verleugnen. Deutschkurse, die schon Istvan Sztani verschmähte („Ich bin lieber ins Kino gegangen und habe mir mein Deutsch auf diese Weise angeeignet.“) hatte Du Ri wahrlich nicht nötig. Erst 1989, als die Familie Cha nach dem Karriereende seines „Vadders“ nach Korea zurückging, lernte Du Ri erstmals Koreanisch. Was ihn heute ins Grübeln bringt („Mein Vadder spricht so ein katastrophales Deutsch, dass ich mich ernsthaft frage, wie ich mich in meinen ersten neun Jahren mit ihm unterhalten habe“).Du Ri präsentierte sich so, wie wir ihn alle kennen und schätzen gelernt haben: Als äußerst liebenswürdigen Menschen, der sich viele Gedanken macht und der Eintracht stets verbunden bleibt. Er erläuterte noch mal sein berühmtes Zitat, wonach er es wichtiger finde, ein guter Mensch zu sein als ein guter Fußballspieler. Er beschrieb die Gänsehaut, die ihm Eintrachtfans zugefügt haben, z.B. bei der großartigen Europa-Choreographie zum Pokalhalbfinale gegen Bielefeld („Da stehst Du da unten auf dem Feld und denkst, das ist ja Wahnsinn, was die da in die Kurve zaubern. Und nur noch ein Sieg, und dann haben wir es geschafft...!“). Und ein bisschen Wehmut klang mit, als er von seiner größten Enttäuschung – der Nichtnominierung für die WM 2006 – erzählte und dem daraufhin getroffenen Entschluss, sich sportlich zu verändern und die Eintracht zu verlassen. Heute wisse er, dass dies ein Fehler war.Als Moderator Axel Hoffmann nach rund zwei wie im Fluge vergangenen Stunden die Veranstaltung beendete, gab es noch minutenlang verdiente Standing Ovations für die beiden so sympathischen Gäste (die den Besuchern danach geduldig noch sehr lange für Fotos, Autogramme und kurze Plaudereien zur Verfügung standen). Wir sagen den beiden hiermit erneut unseren herzlichen und aufrichtigen Dank – nicht nur für den tollen Abend, nicht nur für alles, was sie für Eintracht Frankfurt getan haben, sondern auch dafür, dass es Menschen wie sie sind, Ausländer, die eine so tiefe und herzliche Beziehung zu Frankfurt und zur Eintracht aufbauen, dass wir voller Stolz und mit einer gewissen Berechtigung von den „United Colors of Frankfurt“ sprechen dürfen.