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09.11.2023
Fans

„Wie als hätte ich etwas Großes gewonnen“

Oliver Boldt lebt seit 28 Jahren in Finnland und Eintracht-Fan ist er immer geblieben. Im Porträt geht es um das „Trauma von Rostock“, das Spiel gegen Real Madrid und sein Leben als Eintrachtler in der Ferne.

Oliver Boldt ist nicht allein mit dem Fußball. Wenn er sich mit den anderen vom FC Germania Helsinki zum Kicken trifft, fühlt es sich fast wie früher an, als er noch als Junge in Hattersheim auf dem Platz stand. Heute trägt Oliver oftmals die Nummer 20 auf seinem Rücken. Makoto Hasebe. Auch eine ähnliche Position: Innenverteidigung, ältester auf dem Rasen.

Nach Finnland kam Oliver das erste Mal 1992, kurz nach dem “Trauma von Rostock“. Eintracht Frankfurt kurz vor der Meisterschaft, nur ein Sieg beim Absteiger würde reichen. Es steht 1:1, Ralf Weber direkt vorm Tor, setzt zum Schuss an. Grätsche, von hinten, klares Foul, wär’ auch rot. Alle haben’s gesehen. Nur die Schiris nicht. Eintracht Frankfurt verliert 1:2, keine Meisterschaft. Aber um es mit Dragoslav “Steppi“ Stepanovic Worten auszudrücken „Lebbe gehd weider“. So auch für Oliver: als Austauschstudent in Helsinki, Finnland.

Finnischer Frankfurter

Bereits 1992 trifft er seine zukünftige Frau, nach seinem Abschluss 1995 zieht er nach Helsinki, fängt beim Handy-Hersteller Nokia an. Lernt dort seinen Kumpel Torsten Jüngling kennen, der zwar später wieder in die Rhein-Main-Region zieht, aber Oliver bis heute begleiten wird. In den folgenden Jahren verfolgt Oliver die Eintracht nur sporadisch. Im finnischen Ausland war es schwierig, irgendetwas von der Bundesliga mitzubekommen. Fußball bleibt jedoch weiterhin präsent: erst als Trainer, später als Fahrer unterstützt Oliver die Fußballambitionen seines ältesten Sohns. Doch als dieser 2015 aufhört, packt es Oliver selbst wieder.

Zusammen mit einigen anderen Exil-Deutschen gründet er 2015 den FC Germania Helsinki. Da wird vom HSV-Anhänger zum Bayern-Sympathisanten zum Eintrachtler gepasst. Und nach dem Spiel natürlich die Ergebnisse vom Wochenende diskutiert. Das steckt an, Oliver packt wieder die Bundesliga Begeisterung. Am Wochenende schaut er die Spiele der Eintracht, unter Niko Kovač gefällt ihm die neu gewonnene Schönheit im Spiel der Frankfurter besonders gut. Und wenn er dann doch mal in die alte Heimat fährt, geht er mit seinem Vater oder mit Torsten ins Stadion.

Der Eintracht so nah

Letztes Jahr - 2022 - war die Eintracht dann plötzlich praktisch vor der eigenen Haustür. Super Cup gegen Real Madrid. Das Ergebnis für Oliver eigentlich egal. Dieser Tag war so oder so ein Fest. Die Stadt, in der den größten Teil seines Lebens verbracht hat, plötzlich voller Eintracht-Fans. Eigentlich unfassbar.

Wie als hätte ich etwas Großes gewonnen.

Oliver Boldt

Bereits Mitte 2023 beginnt Oliver die Entwicklung des HJK Helsinki zu beobachten. Vielleicht spielen sie ja Conference League? Vielleicht gegen die Eintracht? Nein, das wär’ zu unwahrscheinlich, geradezu unmöglich. Die Auslosung schaute er sich nicht an. Doch plötzlich eine Nachricht in der WhatsApp-Gruppe des FC Germania. „Eintracht und HJK in Gruppe G“. Olivers prompte Antwort: „Da geh’ ich hin.“ Dass Frankfurt abermals in Helsinki stattfindet, ist für ihn eines der größtmöglichen Geschenke. „Es fühlt sich so, als hätte ich etwas Großes gewonnen.“ Das Spiel in Helsinki schätzt er aber eher hart für die Adlerträger ein: es ist kälter, 100 % Kunstrasen, hohe Belastung der letzten Wochen. Dass die Eintracht dennoch gewinnen wird, ist für ihn klar und er gibt mit einem Lachen seinen Tipp ab: 3:0 für die Eintracht.